Im Kindergartenjahr, das für die Schulanfänger des St. Andreas Kindergartens Groß Lobke nun im Juli zu Ende geht, haben sich Kinder und Erwachsene viel Gedanken über das Helfen gemacht. „Einer für alle und alle für Einen!“ Wir Erwachsenen wissen: das sagt sich so leicht! Aber was steht dahinter und was bedeutet es für die Kinder?
Zuerst erzählten die Kinder von neuen Menschen, die in Groß Lobke wohnen. Sie sehen anders aus, tragen andere Kleidung und sprechen eine fremde Sprache. Von älteren Geschwistern wussten die Kinder, dass auch fremde Kinder in die Schulen gehen, von denen keiner etwas wusste.
Und hier kann man wieder sagen: Kinder sind klüger, als viele Erwachsene ihnen zutrauen; sie wissen mehr, als sie preisgeben. Von Flüchtlingen in Booten erzählten sie, die ertrinken, weil die Boote „umkippen“. „Das habe ich bei Oma im Fernsehen gesehen. Und da sind auch Kinder dabei! Warum wollen die denn von dort weg, wo sie herkommen?“ Einige der Vorschulkinder, die sogenannten Schulis, gaben Auskunft: „Da ist Krieg, und die Leute werden totgeschossen. Die ganzen Häuser sind kaputt und zur Schule können die Kinder auch nicht mehr gehen!“ „Oder sie haben nichts zu essen, weil da nur Wüste ist!“ „Und sie können nicht zur Schule gehen, weil die Eltern arm sind und die nicht bezahlen können!“
Wir Erzieherinnen waren erstaunt über die Ernsthaftigkeit, mit der sich unsere Kinder mit aktuellen Themen auseinandersetzten – ohne die Belastung der politischen Korrektheit, mit der wir Erwachsenen teilweise zu kämpfen haben.
Nach den unterschiedlichen Gesprächen stellten die Kleinen eine Frage: Was kann man machen, damit es den Menschen besser geht und sie ihr Zuhause nicht verlassen müssen? Die Antwort wurde ihnen von einem Sechsjährigen gegeben: „Mein Papa sagt, man muss ihr Land unterstützen; z.B. Brunnen bauen, damit sie Wasser zum Trinken und für die Felder haben!“ Das war in der Vorweihnachtszeit das Stichwort. Die Kinder sind es gewohnt zum Erntedankfest Spenden für den Sozialen Mittagstisch des Guten Hirten zu sammeln. Jetzt wollten sie mehr tun: Gemeinsam Geld sammeln für den Bau von Schulen in einem Land, in dem nicht jedes Kind zur Schule gehen kann.
Eine Aktion der World Vision Deutschland e.V. genannt „Lichterkinder“ kam gerade recht, die um Mithilfe beim Spendensammeln für Schulen und Familienzentren in Indien bat. Die Kinder bereiteten den lebendigen Adventskalender und den 2. Adventsgottesdienst sehr intensiv vor. Die Spenden sollten dann überwiesen werden. Beide Veranstaltungen wurden durchgeführt, der Kirchenvorstand erklärte sich bereit, auch die Kollekte diesem guten Zweck zuzuführen. Den Kindern hat es viel Spaß gemacht, andere Länder und ihre Bewohner durch Geschichten, Kunst oder Musik kennenzulernen. Als Höhepunkt der ganzen Arbeit konnten Gottesdienstbesucher am 2. Adventssonntag Kind in die Kirche einziehen sehen, die sich als AfrikanerInnen, Inderinnen und AsiatenInnen verkleidet hatten. Und die ganze Mühe hatte sich gelohnt: Allein durch kleine Verkäufe von selbstgebastelten Sachen und Spenden beim Offenen Adventskalender kamen 216,20 Euro zusammen.
Im Februar 2017 erfuhren die Kindergartenkinder, dass durch die Mithilfe anderer Kindergartenkinder 68.000Euro zusammenkamen, die nicht nur die Renovierung von drei Familienzentren ermöglichten, sondern es können noch zwei neue Zentren errichtet werden.
Wir Erzieherinnen sind sehr stolz auf unsere Lichterkinder und hoffen, dass sie diese Erfahrung nicht so schnell vergessen und vielleicht irgendwann einmal zu ihren Eltern oder ihrem Lehrer oder ihrer Lehrerin sagen: „Der XYZ lebt in einer ganz kleinen Wohnung und hat kaum Spielzeug! Können wir dem nicht irgendwie helfen?“
Text: Ursula Brandis, Kindergartenleiterin i. R.
Foto: Wolfgang Brandis