Erzengel hautnah

Noch nie waren sie den Engeln so nah. Für Kinder haben Engel eine besondere Bedeutung. Sie sind nicht nur Boten und Begleiter der Menschen, Kinder wünschen sich Engel zum Trösten, sie sollen stark sein und ihnen zur Seite stehen. Im August waren sie besonders einem Engel ganz nah, einem Erzengel sogar: Sankt Michael!

Der Altar in unserer Andreaskirche wurde restauriert; ein Gerüst ermöglichte den zukünftigen Schulanfängern, den „Schulis“,  besonders intensive Ein- und Anblicke.
Unsere Kinder sind sehr gern in der Kirche, sie hat etwas Ruhiges, Besonderes, Geheimnisvolles.

Der Altar erschien ihnen eingerüstet noch größer als sonst. Frau Fuchs, die Restauratorin, empfing die Kinder und erklärte ihnen ihre Arbeit. Viele Dinge setzte sie in Erstaunen: Säulen und Skulpturen, von denen sie annahmen, dass sie aus Stein sind, bestehen aus Holz, bemalt wie Steine. Die Kinder entdeckten Malereien an den Säulen, Rosenranken, Weinlaub – und Gold. Die Kleidung einiger Figuren ist mit Blattgold verziert.  Dass dies Gold mit einem Pinsel aufgetragen wird, faszinierte die Kinder sehr.

Natürlich fragten sie auch, wen die Figuren darstellten. Bei einer konnte Frau Fuchs mit Bestimmtheit sagen, um wen es sich handelt: den Erzengel Michael. Er bekrönt den Altar;  er tötet eine Riesenschlange mit dem Oberkörper eines Menschen. Da unsere Kirche aber eine Andreaskirche ist, wunderten sich die Kinder, dass es keinen Apostel Andreas (erkennbar an dem Andreaskreuz) auf dem Altar gab, sondern den Erzengel Michael. Das erklärte Frau Fuchs durch die jüngere Geschichte der Kirche: Nachdem die Kirche im Krieg zerstört worden war und später wieder aufgebaut wurde, bekam sie einen neuen Altar aus einer anderen Kirche, und zwar aus der „kleinen Michaeliskirche“  in Hildesheim, Teil des ehemaligen Benediktinerklosters. Deswegen bestimmt der mächtige Erzengel den Altar.

Einen Engel in Rüstung mit Speer und im Kampf zu sehen, beeindruckte unsere Schulis. In den nächsten Tagen wurden viele Bilder vom Altar gemalt. Die Identität der beiden Skulpturen, die keine Engel darstellten, wurde in der folgenden Woche im Kindergarten gelüftet. Es handelt sich um Benedikt von Nursia, Bernward oder Benno von Hildesheim und um einen Apostel, Philippus oder Jakobus den Älteren. Während des Morgenkreises  wurde auch die Geschichte vom Erzengel Michael und dem Ritter Georg erzählt, der für ihn gegen das Böse kämpft. Die Jungen fanden, dass der Michael ein echter „Jungenengel“ ist: stark, mutig und klug – nicht so ein „Mädchen mit Locken und weißem Hemd“…

Nachdem der Altar wieder in voller Pracht erstrahlte, bewunderte ihn alle Kindergartenkinder und die Schulis konnten viel von dem erzählen, was sie erfahren hatten.

Engel sind seit unserem Besuch oft Thema. So wird es wohl auch in der kommenden Vorweihnachtszeit wieder Engel geben – kleine, gebastelte Gestalten und vielleicht auch Kinder, die dem Erzengel Michael und seinen Freunden durch kleine, mutige Taten beweisen, dass sie von ihm etwas gelernt haben.

Vielen Dank an Restauratorin Johanna Fuchs und Prof. Dr. Thorsten  Albrecht für ihre Hilfe bei der Recherche.

Text: Ursula Brandis, Kindergartenleiterin i. R., 12-Apostel-Gemeindebrief 12/2016
Foto: Wolfgang Brandis